07.03.2024

Ihr und die Dummheit

 Ihr und die Dummheit zieht in Viererreihen

in die Kasernen der Vergangenheit.
Glaubt nicht, daß wir uns wundern, wenn ihr schreit.
Denn was ihr denkt und tut, das ist zum Schreien.

Ihr kommt daher und laßt die Seele kochen.
Die Seele kocht, und die Vernunft erfriert.
Ihr liebt das Leben erst, wenn ihr marschiert,
weil dann gesungen wird und nicht gesprochen.

Ihr liebt die Leute, die beim Töten sterben.
Und Helden nennt ihr sie nach altem Brauch;
denn ihr seid dumm und böse seid ihr auch.
Wer dumm und böse ist, rennt ins Verderben.

Ihr liebt den Haß und wollt die Welt dran messen.
Ihr werft dem Tier im Menschen Futter hin,
damit es wächst, das Tier tief in euch drin!
Das Tier im Menschen soll den Menschen fressen.

Ihr möchtet auf den Trümmern Rüben bauen
Und Kirchen und Kasernen wie noch nie.
Ihr sehnt euch heim zur alten Dynastie
und möchtet Fideikommißbrot kauen.

Ihr wollt die Uhrenzeiger rückwärtsdrehen
Und glaubt, das ändere der Zeiten Lauf.
Dreht an der Uhr! Die Zeit hält niemand auf!
Nur eure Uhr wird nicht mehr richtiggehen.

Wie ihr’s euch träumt, wird Deutschland nicht erwachen.
Denn ihr seid dumm, und seid nicht auserwählt.
Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt:
Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen

21.09.2023

Sieben Sterne

Eine Suche nach Bedeutung


  Am äußeren Rand des Bewusstseins

„Herr Ushikawa, würden Sie bitte nicht rauchen.“

Ushikawa sah mich über seinen Schreibtisch hinweg an und blickte dann auf die noch nicht angezündete Seven Stars zwischen seinen Fingern.

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht“, fügte ich höflich hinzu.

Ushikawa schaute verdutzt. Er schien sich zu fragen, wie die Zigarette überhaupt in seine Hand gekommen war.

„Selbstverständlich, entschuldigen Sie“, sagte er. „Der Griff zur Zigarette ist schon beinahe ein Reflex bei mir.“

Wir befanden uns in Ushikawas nicht allzu großem Büro. Von draußen drang Musik von einem nicht fernen Rummelplatz. Es entstand die Atmosphäre eines frühen Fellini-Films.

„Häppchenweise Informationen zu liefern entspricht nicht meiner Arbeitsweise“, sagte Ushikawa und spielte nun statt mit der Zigarette mit seinem goldenen Feuerzeug. „Hier ein bisschen und da ein bisschen - das widerstrebt mir. Ich muss die Dinge im Zusammenhang sehen und sie auch mal von der anderen Seite betrachten, um mir ein vollständiges Bild zu machen. Voreilige Schlüsse bringen häufig mehr Schaden als Nutzen.“

Auf ein Zeichen von ihm erhoben wir uns, verließen das Büro und gingen durch einen schummrigen Flur Richtung Ausgang. Statt aber durch die offene Glastür auf die Straße zu treten, öffnete Ushikawa eine schmale Holztür, hinter der ich eine Besenkammer vermutet hätte. Überrascht fand ich mich auf einer engen, steilen, in den Fels gehauenen Treppe. Wasser plätscherte. Nach wenigen Stufen sah ich links einen Knaben und ein Mädchen mit Tretmühlen Wasser heben. „Ah, Jademädchen und Kuhhirte, nicht wahr“, tat ich klug.

Ushikawa grunzte:“Warum nicht mal Hänsel und Gretel oder Romeo und Julia?“

Während wir weiter die Stufen hinan stiegen, dozierte Ushikawa still vor sich hin.

„Da kennt ihr eine Geschichte von einem Paar und meint gleich, bei allen Paaren müssten es sich um die beiden handeln. Die Menschen machen es sich gerne einfach. Warum auch noch eine andere Geschichte kennen lernen, warum sich mit Neuem auseinander setzen, wenn man das alte noch nicht richtig verstanden hat. Sie glauben nicht, wie viele Versionen ich schon gehört habe allein von dem Namen dieser Taiji-Figur:Jademädchen am Webstuhl; die schöne Weberin, die Dame webt bis hin zur Alten am Spinnrad.

Mit dem Internet verbreitet sich der Blödsinn noch rasanter. Wir werden in Zukunft nicht mehr wissen, wir werden nichts mehr wissen. Alles wird sich auflösen in einem riesigen Informationsbrei. Es ist doch sowieso alles eins. Wozu genau hinschauen? Wozu Fragen stellen? Ich sagte doch, voreilige Schlüsse bringen häufig mehr Schaden als Nutzen.“

Wir hatten in der Zwischenzeit den pflügenden Bauern mit seinem Eisenochsen passiert und waren auf Höhe der Spinnerin. Sie nickte uns kurz zu um sich dann wieder ihrer Arbeit zu widmen.

„Sehen Sie, sie spinnt einen Faden, sie webt nicht. Da kann der alte Rousselle sie noch so oft zur Braut des Kuhhirten erklären. Sie ist es nicht. Da oben steht der Knabe. Er ist nicht der Kuhhirte. Gehen Sie zu ihm. Er sollte wissen, was es mit den sieben Sternen auf sich hat.“

Ich spähte nach einem Weg, der zu dem Knaben führte, ich würde wohl bis zur Pagode aufsteigen müssen. Als ich mich zu Ushikawa umdrehte, mich zu bedanken, war er schon verschwunden.


Inmitten des Herzens

Der Name Bei Dou Qi Xing bedeutet Nördliche Kämpferische Sieben Sterne und damit gemeint ist das Sternbild Großer Wagen oder Großer Bär (Urs Major) am nördlichen Sternhimmel. Es ist ein sehr auffälliges Bild, welchem in allen Kulturen Bedeutung beigemessen wurde. Das Sternbild Urs Major ist nördlich des 43. Breitengrades das ganze Jahr über zu sehen. Die beiden Sterne, die den hinteren Teil des „Kastens“ bilden, zeigen in siebenfacher Verlängerung direkt auf den Polarstern. Sie stehen exakt senkrecht bei den Tagnachtgleichen und genau waagerecht zu den Sonnenwenden. Diese Beobachtung verleiht dem Sternbild eine weitere Aufmerksamkeit. Während eines Jahres macht der Griff des Großen Wagens eine 360-Grad-Drehung. Da er hierdurch auf alle Sterne zeigt, ist er das Speicherbecken für astrale Kräfte. Daoisten glauben, dass der Griff des Großen Wagens wie ein Blitzableiter funktioniert und Qi von den Sternen in den Bauch des Wagens ableitet.

Meister Zhong Xuechao (Wudang Bing), sagte mir sehr vorsichtig:“ Nachdem was ich gehört habe, sind die Sieben Sterne die Quelle des Universums, die ursprüngliche Energie. In früherer Zeit basierte das chinesische Wissen auf den Sieben Sternen, alles weitere kam später dazu. Deshalb muss man in den Kampfkünsten zuerst die Sieben Sterne lernen, dann alles andere. Es ist einfach das, was ich gehört habe.“

Ähnlich äußerte sich auch Meister Guan Yongxing:“Die sieben Sterne schicken den Menschen die kosmische Energie. Sie sind sehr mächtig.“

Eine chinesische Schamanin, die ich in Wudangshan kennenlernte, ergänzte: „Zwischen den Sieben Sternen und dem Polarstern gibt es keine weiteren sichtbaren Sterne. Es ist der leere Raum, in dem die Unsterblichen leben.“

Ich sitze und warte.

Warum wirft der Knabe im Nei Jing Tu eine Münzschnur und formt damit das Bild der Sieben Sterne? Oder sieht es nur so aus? Im begleitenden Text wird darüber nichts erwähnt. Wieder einmal nur eine Interpretation? Sieht ähnlich aus wie Sieben Sterne, dann ist es auch sieben Sterne?

Mit Sicherheit sagen lässt sich, die Sieben Sterne spielen im Daoismus eine wichtige Rolle. Deshalb wird auch gerne darauf Bezug genommen. In den Kampfkünsten finden wir einige Bilder innerhalb der Formen und auch ganze Formen, die den Namen der Sieben Sterne tragen. Sind das nun nur Namen oder gibt es darüber hinaus einen tieferen, einen praktischen oder esoterischen Nutzen?

Nach einigen daoistisch schamanischen Schulen werden den Sieben Sternen noch zwei weitere hinzugefügt. Diese sind entweder unsichtbar ober- und unterhalb des mittleren Deichselsterns oder man nennt den Polarstern und die Vega. In diesem Zusammenhang finde ich folgende Erkenntnis moderner Astronomen erwähnenswert.

Aufgrund der Präzessionsbewegung der Erde war Vega vor etwa 14.000 Jahren der Polarstern, und die Erdachse wird in etwa 12.000 Jahren wieder in Richtung Vega zeigen. Jedoch wird Vega dem Himmelspol nicht so nahe kommen wie zur Zeit der Polarstern. (Quelle:Wikipedia) Auch muss dazu gesagt werden, dass Vega das Jademädchen verkörpert. Der Knabe ist Altair im Sternbild Adler. Also doch?

Aber zurück zum Schamanismus. Aus den nun neun Sternen hat sich eine umfangreiche Astrologie entwickelt. Darauf möchte und kann ich nicht genauer eingehen. Aber ich finde wieder zurück zu der Schamanin aus Wudangshan, die mir zwar viel erzählt hat, wovon ich aber nicht alles verstanden habe. Unter anderem war es ihr aber wichtig, mir im Zusammenhang mit meinen Baguazhang-Studien ein magisches Quadrat, ein Mofang aufzuzeichnen.

Ausgangspunkt ist die Huotian-Anordnung der acht Trigramme. In die Mitte wird das Taiji gestellt. Nun durchläuft man das Quadrat in einem Zickzack-Kurs über die Zahlen Eins bis Neun. Dazu werden entsprechend der Trigramme Handpositionen eingenommen.

Es zeigt Wirkung.

Wang Peisheng des nördlichen Wu-Stils erklärt die Sterne als Teile des Körpers. Der Punkt Baihui auf dem Kopf entsprich dem Polarstern, ist fix, bewegt sich nicht. Der Arm wird angewinkelt, dann bilden Schultergelenk, Ellbogen und Handgelenk zusammen mit Baihui ein Quadrat, den Kasten. Dazu kommt dann vom anderen Bein das Hüftgelenk, Knie und Fußgelenk. Diese zusammen ergeben die Sieben Sterne.

Ich sitze und warte.


Im Hintergrund

Die alten chinesischen Astrologen gruppierten den Sternenhimmel zu Konstellationen, teilten den Himmel in 31 Regionen: Die drei Gebiete (三垣 sān yuan) und die achtundzwanzig Häuser (二十八宿 ershíba xiu).

Die drei Gebiete umfassen den nördlichen Himmel in der Umgebung des Polarsterns. Die dort enthaltenen Sterne sind das ganze Jahr über zu sehen. Sie werden genannt: 紫微垣 Zi Wei Yuan - das purpurne verbotene Gebiet; 太微垣 Tai Wei Yuan - das Gebiet des höchsten Palastes und 天市垣 Tian Shi Yuan - das Gebiet des himmlischen Marktes.

Die achtundzwanzig Häuser teilen sich in vier Bereiche, die den Himmelsrichtungen entsprechen und jeweils sieben Häuser enthalten. Die Vier Bereiche werden regiert von den numinosen Tieren. 青龍 qing long, der blaue Drachen des Ostens, 朱雀 zhu qiao, der rote Vogel des Südens, 白虎 bai hu, der weiße Tiger des Westens und 玄武 Xuan Wu, die schwarze Schildkröte mit der Schlange des Nordens.

Die drei Gebiete und achtundzwanzig Häuser enthalten insgesamt 283 Sternbilder, einige davon bestehen nur aus einem Stern. Die 12 „Tierkreiszeichen“ der chinesischen Astrologie, eigentlich die 12 irdischen Zweige, finden nicht, wie die Tierkreiszeichen des Westens, eine Entsprechung am Sternenhimmel.

Wenden wir uns nun einzig dem nördlichen Bereich zu, welcher von Xuan Wu regiert wird. Bei dem Tier handelt es sich um eine Schildkröte, um die sich eine Schlange windet. Sie werden gemeinsam als ein Tier gesehen. Über ihre Entstehung gibt es mehrere Legenden. Eine davon erzählt, dass Zhen Wu sich bei seiner Wandlung zum Unsterblichen von allem Körperlichen lösen musste. Dabei fielen sein Magen und seine Därme zur Erde und verwandelten sich zu Dämonen in Gestalt von Schildkröte und Schlange. Später bezähmte Zhen Wu die beiden Dämone und machte sie zu seinen Dienern. Diese Legende allerdings muss erst spät entstanden sein. Die Gleichstellung des Wahren Kriegers Zhen Wu mit dem nördlichen Sternhimmel und damit auch mit der Gestalt Xuan Wus erfolgte erst im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Das Bild von Xuan Wu, wörtlich „mystischer Krieger“, ist jedoch weitaus älter.

Jedenfalls ist der nördliche Himmel mit dem Kriegerischen assoziiert, aus Xuan Wu wurde Zhen Wu beziehungsweise umgekehrt.

Schildkröte und Schlange gemeinsam werden auch als ein Symbol für die Sieben Sterne des Nordens verstanden. In der westlichen Astronomie heißen sie Urs Major, großer Bär, im germanischen Raum wird auch der Name Großer Wagen und im Englischen häufig Big Dipper, großer Schöpflöffel, genannt. Die chinesische Bezeichnung lautet 北斗七星 bei dou qi xing, nördliche kämpferische sieben Sterne. Obwohl 斗 dou eindeutig kämpferisch bedeutet, wird dies in der Literatur kaum erwähnt. Anscheinend nicht wissend, dass great dipper eine geläufige englische Bezeichnung für dieses Sternbild ist, wird es in viele Texte übernommen und die Konstellation „großer Schöpflöffel“ benannt, so als sei es der chinesische Namen. Da könnte man eher noch den großen Wagen herbeiziehen, gibt es doch alte chinesischen Bilder, auf denen die sieben Sterne ein Gefährt bilden, in dem 斗母 Dou Mu sitzt, die kämpferische Mutter, eine der höchsten daoistischen Gottheiten. Auf der kosmischen Ebene manifestiert die Göttin ihre Macht durch die sieben Sterne. Sie kontrolliert die kosmischen Kräfte von Zeit und Raum. Sie ist Herrscherin über Leben und Tod, Krankheit und Heilung und bestimmt die Lebensspanne aller Wesen. Den spirituell Suchenden verleiht sie göttliche Erkenntnis und Unsterblichkeit.

Viele Abbildungen zeigen Duo Mu als Quelle der Lehren, die von weisen Frauen an Sterbliche übergeben werden. Obwohl Frauen in den Auflistungen daoistischer Meister nicht erwähnt werden, fungierten Frauen in der Praxis durchaus als Lehrer. Mehr als in allen anderen große Religionen waren weibliche Unterweisungen Teil der Initiation. Die höchsten Grade einer Initiation konnte nur von einem Mann und einer Frau gemeinsam übergeben werden. Im Zhen Gao wird eine vollständige matriarchale Linie der Unterweisung aufgeführt, beginnend mit Duo Mu und weiter durch viele Clans und religiöse Gemeinschaften.


Bei klarem Verstand

Jetzt, wo alles geschrieben ist, abgesehen von einigen Assoziationen, die ich für zu weit hergeholt halte, wie zum Beispiel die Figur der Sieben Sterne als S-Linie im Taijitu zu deuten, frage ich mich, ob es wirklich von Relevanz ist, ob Taijiquan oder Qigong Praktiker im deutschsprachigen Raum an einer Klärung der Symbole interessiert sind. Zurückgekehrt von dieser Reise über den Horizont, in die Weiten des Alls und die Tiefen daoistischer Esoterik, weiß ich nicht mehr, warum ich das alles wissen wollte, was damit anzufangen sei und ob es nicht reine Eitelkeit ist, die mich motiviert hat, Wichtigtuerei, mich ins Licht zu setzen als einer, der Bescheid weiß, ein Experte.

Der Begriff Dao wurde ursprünglich für den Lauf der Gestirne benutzt. Was sich am Himmel über unseren Köpfen abspielt, war schon immer interessant und die Bewegungen zu verstehen, konnte hilfreich sein. Sich als Mensch mit dem großen, umfassenden Ganzen zu verbinden, kann Freiheit geben.

Wissen verlassen findet hundertfach Gewinn. (Laozi 19) Voreilige Schlüsse bringen häufig mehr Schaden als Nutzen. Hernn Ushikawa habe ich in Haruki Murakamis Roman 1Q84 kennengelernt.

10.09.2023

Die magische Insel San Borondon


Eine unserer liebsten Wanderstrecken führt im Teno Gebirge von Puerto de Erjos nach Las Portelas. Sie geht später oberhalb von Masca auf einem Höhenzug entlang und von dort hat man einen phantastischen Blick auf die beiden Nachbarinseln La Palma und La Gomera. Wir hatten vor einigen Tagen absolut klare Sicht bis weit hin zum Horizont. Dort entdeckte ich einen dunklen Strich, deutlich zu sehen. Dort war etwas. Das konnte nur El Hierro sein, sonst ist dort keine Insel, auch wenn El Hierro meiner Meinung nach weiter links liegen müsste, von La Gomera verdeckt. Was sollte es sonst sein?

Zuhause schaute ich mir das auf der Karte noch mal genauer an. Beim besten Willen konnte das nicht El Hierro gewesen sein. Was war es dann? Immerhin war es deutlich zu sehen. Mit einer Internetsuche „Insel westlich von La Palma“ stieß ich auf San Borondón. Die magische Insel, die schwimmende Insel, sie taucht auf und verschwindet wieder. Viele haben sie gesehen, auf alten Karten ist sie eingezeichnet. Kanarios sind tief in ihrem Herzen davon überzeugt, dass es die achte Insel gibt.

Kurz vor seiner die Welt verändernden Reise über den Atlantik schrieb Kolumbus 1492 in sein Tagebuch: „Viele respektable kastilianische Einwohner versicherten mir, dass sie jedes Jahr im Westen von Gomera Land sahen.“ Und weiter: „Ich bin überzeugt, dass das Paradies auf Erden auf Brendans Insel liegt.“


512 machte sich der irische Mönch Saint Brendan of Clonfert mit einigen weiteren Mönchen in einem winzigen Boot auf, die Völker des Atlantischen Ozeans zu christianisieren. Mir ist nicht bekannt, wo er überall war, der Atlantik ist groß. Der Abenteurer Tim Severin, der 1976 mit einem nachgebauten ledernen Curragh den mönchischen Aufzeichnungen folgte kam immerhin bis Neufundland. (https://de.wikipedia.org/wiki/Navigatio_Sancti_Brendani)

Die Mönche jedenfalls erreichten eine Insel der Glückseligen, auf der sie sich 15 Tage aufhielten. Sankt Brendans Bericht zufolge ging die Sonne nie unter, sie lebten zwischen hohen Bergen, dichten Wäldern, klaren Flüssen und unbekannten Pflanzen mit seltsamen Früchten.

Seit dem Mittelalter reißen die Berichte über San Borondon nicht ab. Seefahrer haben sie gesichtet, dann war sie wieder verschwunden. So wie wir von Puerto de la Cruz auf Teneriffa die meiste Zeit La Palma nicht sehen können. Dann plötzlich ist sie da, klar und deutlich, so nah, als könne man hinüber schwimmen.

Als wir unsere Wanderung fortsetzten und Richtung Norden blickten, sahen wir auch dort am Horizont eine Insel. Muss Madeira gewesen sein, liegt in dieser Richtung. Madeira ist zwar ca 500 km entfernt und aus 1000 Metern Höhe kann man auch nur 113 km weit sehen. Aber es muss Madeira gewesen sein. San Borondon liegt westlich.

03.09.2023

Auf der Durchreise



Im Bereich der Quantenphysik gelten nicht unbedingt jene Regeln, die für die allgemeine Physik grundlegend sind. Deshalb lässt sie sich auch nicht mit dem Denken der allgemeinen Physik verstehen. In der daoistischen Selbstkultivierung gelten nicht immer die Bilder vom Menschen, wie er medizinisch oder psychologisch verstanden wird. Deshalb lässt sich die Selbstkultivierung auch nicht mit der Sprache der Medizin oder Psychologie vermitteln.

Die Illusion von einem Selbst entsteht durch die Eindrücke, welche die Sinne aufsammeln. Es projiziert die Vorstellung von einem eigenen und einem anderen. Es identifiziert sich mit jenem Körper. Dabei ist es, das Selbst, von seiner Natur her leer wie ein Spiegel. Es nimmt auf, was vorüber zieht.

Niemand kann sagen, woher die Gedanken kommen, seien es nun freie, wilde Gedanken, die einfach aufsteigen oder einfallen, seien es Gedanken, die innerlich errungen werden durch überlegen, durch Vergleiche und Abwägungen.

Sobald ein Körper-Selbst vorhanden ist, kämpfen die hundert Sorgen um ihr Vorrecht und die fünf Begierden (der Sinne) beeilen sich, ihre Ansprüche geltend zu machen. (Li Rong im Kommentar zum Dao De Jing, nach Kohn 2007)

Das Körper-Selbst und die damit entstandene Illusion eines unabhängigen persönlichen Geistes verhindert die Begegnung mit der Klarheit des Kosmos, der All-Einheit.

"Sich dem DAO hingeben bedeutet, sich von der Idee einer Person zu verabschieden und zu einer Idee der Form über zu gehen." (Kohn)

04.07.2023

Jing - Qi - Shen im Taiji Quan


Jing - Qi - Shen sind Schritte der daoistischen Alchemie und damit die Wurzeln des Taijiquan.

Slow motion - Jing, die Essenz

Wenn du Taiji Quan kennenlernst, ist das erste, das dir auffällt, die Langsamkeit der Bewegungen. Tatsächlich ist es für Anfänger die erste Herausforderung, sich an diese Langsamkeit zu gewöhnen. Auch scheint es schwieriger zu sein, sich einen langsamen Bewegungsablauf zu merken, als einen schnellen. Vielleicht, weil der Geist ruhiger wird, auf einer anderen Frequenz zu schwingen scheint. Jede Position ist genau definiert und der Weg dorthin ebenfalls. Aber alles so langsam und wenn du die eine Figur geschafft hast, weißt du nicht mehr, von wo du gekommen bist. Schon allein den Fuß aufzusetzen, ohne sofort das Gewicht darauf zu verlagern, verlangt Konzentration, während gleichzeitig beide Arme in unterschiedliche Richtungen bewegt werden sollen. Nicht einfach nur rauf und runter, wie man es vom Tanzen kennt, sondern bedächtig, in Zeitlupe und nur in eine bestimmte Höhe. Das alles fordert dich sehr und dabei sollst du auch noch entspannen. Dabei sieht es bei deinem Lehrer so einfach aus, elegant und mühelos.

Wenn die Jing-Essenz gedeiht, kann sich die Qi-Lebenskraft manifestieren.

Flow motion - Qi - die Lebenskraft

Du denkst vielleicht, dass all deine Bewegungen fließend seien.

Taiji Quan gehört zu den „Inneren Künsten“. Das bedeutet, innere Bewegung. Der Geist lenkt Qi, Qi lenkt den Körper. Wie bewegt der Geist Qi? Was überhaupt ist Qi, wie soll man sich das vorstellen? Kannst du es spüren? Nein. Kannst du nicht. Vielleicht meinst du, etwas zu spüren. Das ist nicht Qi. Glaub mir. Du spürst Qi weniger als deinen Körper. Den spürst du meist nur dann, wenn er auf Widerstand stößt oder selber widersteht. Du spürst Qi so wenig, wie du deine Nieren spürst, so wenig, wie du spüren kannst wie dein Atem mit dem Blut verbunden wird. Also, wie willst du das nun bewerkstelligen, das mit dem Geist, dem Qi, dem Körper?

Stell dir einen inneren Körper vor, einen durch und durch weichen, fließenden, energetischen Körper, der in deinem fleischlichen Körper steckt wie dieser in deiner Kleidung.

So wie deine Kleidung jeder deiner Bewegungen folgt, so lass deinen Körper den Bewegungen des inneren Körpers folgen. Kultiviere diese Methode. Achte darauf, wo dein Körper dem inneren Fluss im Weg steht, ihn be- oder gar verhindert. Fließende Bewegung kennt kein Anhalten, keinen Endpunkt, keinen Rückwärtsgang. Es sind immer kleine Bögen, Kurven, Kreise von wo es wieder zurückfließt.

Dein Körper macht keine Bewegung, er folgt der Bewegung, lässt sich von ihr tragen wie ein Boot vom Wasser. Die Bewegung entsteht in deinem Inneren, der Geist lenkt Qi.

Mach dich frei von Erwartungen, lerne zuschauen. Wenn deine Bewegungen wirklich fließend geworden sind, bist du kein Anfänger mehr.

Wenn das Qi gedeiht, kann sich der Shen-Geist manifestieren.


No motion Shen - der Geist


Nun stehst du vor der größten Herausforderung, wenn du überhaupt bis hier gekommen bist. Bist du es, wirst du dich fragen, warum du dieses geniale Gefühl des Fließens, der Verbundenheit aller Teile deines Körpers, verlassen und darüber hinaus sollst. Die meisten Praktiker verweilen in diesem Stadium. Es ist auch sehr verführerisch, diese Freude zu erleben. Das kann dir in jeder Meditation passieren. Der Geist erfährt großes Glück. Und dies ist, wie alles, nicht von Dauer.

Deshalb entsteht ein Verlangen danach und so wird der Geist unruhig. Es ist das Dilemma des menschlichen Geistes. Wir können nur etwas wahrnehmen, was sich von etwas anderem abhebt. Alles braucht einen Hintergrund. Der Hintergrund deiner Bewegung ist die Ruhe. Wenn du nicht mehr auf die Bewegung achtest, kannst du die Ruhe wahrnehmen. No motion.

Wenn Shen aufblüht, kann man inneren Frieden und Einheit im Dao finden.